Endlagerstandort nach dem Atomgesetz vom 27.4.2002

 

Die rot grüne Bundesregierung und das Bundesumweltministerium wegen angeblich unzulänglicher Suche nach einem geeigneten Endlagerstandort anzugreifen, gehört inzwischen zum Standardrepertoire der konservativen Opposition. Die Kritik kommt dabei von mehreren Seiten - von den Oppositionsparteien des Bundestags, von einigen (aber nicht allen!) Kreisen der Wirtschaft und der konservativen Presse. Kürzlich beteiligte sich sogar der Bundesrechnungshof an dieser Schelte, indem er dem Umweltminister Trittin die Verschwendung von Steuergeldern durch schlampige und halbherzige Suche nach einem Endlager vorhielt. Die WELT griff diese Vorhaltungen dankbar in einem Artikel nebst Kommentar vom 10. September 2004 auf. Zusammengefasst halten diese Ausführungen dem Bundesumweltminister folgendes vor:

 

1.      Das bewährte „Zwei-Endlager-Konzept" mit Gorleben und Schacht Konrad wird ohne Not zugunsten eines „Ein-Endlager-Konzepts“ aufgegeben.

2.      Die Suche nach einem geeigneten Standort für ein neues Endlager wird bewusst verschleppt.

3.      Damit werden laut Aussage des Bundesrechnungshofs in unverantwortlicher Weise Steuergelder verschwendet.

 

Da die Vorhaltungen immer wieder so oder so ähnlich wiederholt werden, lohnt sich m.E. eine ausführliche Erwiderung.

 

Was den letzten Vorwurf betrifft, ist es berechtigt, wenn das Umweltministerium hier die Kompetenz des Bundesrechungshofes zurückweist. Die Suche nach einem Endlager ist von so großer Tragweite, dass der rein monetäre Aspekt zu kurz greift. Er greift zu kurz, weil er ökologische Gesichtspunkte, eben die kaum vorstellbare Dauer der Strahlentätigkeit über Tausende von Jahren nicht berücksichtigt. Er greift auch zu kurz, weil er politische und soziale Gesichtspunkte vernachlässigt. Ein paar Mal wurde z.B. auch der Bayerische Wald wegen seiner geologischen Voraussetzungen (große Gesteinsschichten mit Granit und Gneis) als Endlagerstandort in Erwägung gezogen. Der laute Aufschrei der ansonsten eher zurückhaltenden niederbayerischen Bevölkerung ist sehr deutlich vernommen worden. Und bekanntermaßen führt allein schon die Errichtung des dezentralen Zwischenlagers im AKW Isar I+II in Ohu bei Landshut vor Ort zu massiven Protesten, die auch von politischen Strömungen getragen werden, die die Atomkraft gar nicht einmal grundsätzlich ablehnen. So wird es überall sein, wo das Endlager letztlich errichtet wird. Die Standortsuche ist ein riesiges ökologisches, soziales und politisches Problem, deren Lösung viele Jahre in Anspruche nehmen und auch einen erklecklichen Betrag an Steuergeldern verschlingen wird. Auch wenn den Großteil der Kosten die Betreiberfirmen tragen, so werden diese doch auf uns, die Konsumenten umgelegt.

 

Insofern ist auch der zweite Vorwurf leichtfertig geäußert. Wie der Autor zu seiner Einschätzung kommt, „die Suche Trittins nach dem neuen Endlager der Zukunft [sei] an Verworrenheit kaum zu überbieten“, wird auch in den eher nebulösen Erläuterungen dazu nicht ersichtlich. Festzuhalten ist dagegen: Umweltminister Trittin hat durchaus die Suche nach einem neuen Endlagerstandort eingeleitet, u.a. mit der Einberufung des Arbeitskreises „Auswahlverfahren Endlagerstandorte“ (AK End), der Ende 2002 einen umfassenden Bericht zum Auswahlverfahren geliefert hat (er ist einsehbar im Internet unter www.akend.de). Die Konsensvereinbarungen mit den Kraftwerksbetreibern E.ON, RWE, Vattenfall Europe und EnBW vom 14. Juni 2000 legen im übrigen als Zielmarke das Jahr 2030 fest, an dem ein Endlager im Einsatz sein muss. Es ist also noch ein wenig Zeit. Man bedenke: Der Zeitpunkt liegt zehn Jahre nach Schließung des letzten AKW gemäß dem Atomgesetz vom 27.4.2002.

 

Es wird in dieser Vereinbarung ebenfalls ausdrücklich betont, dass hinsichtlich der Endlager keine Fakten geschaffen werden sollen, die die vereinbarte Planung konterkarieren. Konkret sind damit die bisherigen Standorte Gorleben für hochradioaktiven Müll mit starker Wärmeentwicklung und Schacht Konrad für schwach- bis mittelradioaktiven Müll in Frage gestellt. Aber die Zweifel an der Eignung dieser Standorte bestehen nicht nur seitens des Bundesministeriums. Schacht Konrad ist beklagt, das frühere DDR-Endlager Morsleben wurde schon 1998 stillgelegt, weil ein Langzeitsicherheitsnachweis nicht wirklich vorlag, und Gorleben ist von einer atomrechtlichen Genehmigung Jahrzehnte entfernt. Dort wurde der Bau auf der Grundlage des Bergrechts begonnen, was jede Bundesregierung - welcher Couleur auch immer – zum Handeln zwingt.

 

Es steht somit unabweisbar fest, dass alle bisherigen Endlagerstandorte einer juristischen Überprüfung nicht standgehalten haben. Minister Trittin hat es kürzlich auf der Landesversammlung der niedersächsischen Grünen vor zwei Monaten in Melle folgendermaßen auf den Punkt gebracht: Die bisherigen Endlager seien letztlich Schwarzbauten, da ohne ordentliches Genehmigungsverfahren errichtet. Sie hätten im Übrigen den Steuerzahler ein Vielfaches von dem gekostet, was eine Erkundung mit soliden Verfahren und unter Berücksichtigung der Akzeptanz in der Bevölkerung kosten werde.

 

Mit den Standorten aber ist das gesamte frühere Endlagerkonzept selbst in Frage gestellt. Dass diese Standorte auch historisch politisch längst obsolet sind, ist ebenfalls leicht nachvollziehbar: Sie wurden ausgewählt unter der Prämisse vom Schnellen Brüter zur Produktion von Plutonium und von Wiederaufbereitungsanlagen, dem Konzepts eines Brennstoffkreislaufs also, das längst in Kalkar und Wackersdorf begraben wurde.

 

Der Artikel in der WELT wendet ein paar Aspekte gegen das Ein-Endlager-Konzept des Bundesministeriums ein, so die Entwicklung von Gasen und Bakterien bei schwachradioaktivem Müll. Sich mit diesen Details auseinander zu setzen, führt im Rahmen dieser Ausführungen zu weit. Ich folge daher hier der Argumentation des Bundesministeriums, wonach ein einziges Endlager sinnvoll ist, weil das erwartete Müllaufkommen in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen sei. Ursachen des Rückganges seien der vereinbarte Atomausstieg und technischer Fortschritt zur Müllvermeidung (hier wie an anderen Stellen auch s. die unten angegebene Website des Bundesumweltministeriums).

 

Wenn man als überzeugter Gegner der Atomkraft ein Fazit zieht, dann kann man nicht umhin festzustellen: Von welcher Seite man auch immer das Phänomen Atomkraft beleuchtet, sei es die Umweltbelastung und -bedrohung beim laufenden Betrieb, seien es die begrenzten Uranvorkommen, die wir im übrigen ebenso importieren müssen wie Öl, sei es die Wirtschaftlichkeit oder eben die Endlagerfrage: Wir müssen den Ausstieg aus der Atomenergie so schnell wie möglich umsetzen, aus ökologischen, aber auch aus ökonomischen Gründen.

 

Dass der Bundesumweltminister Jürgen Trittin es geschafft hat, hierfür ein sozial, politisch und ökonomisch verträgliches Konzept durchzusetzen, dafür gebührt ihm, denke ich, die höchste Anerkennung. Er hat nicht nur einen Ausstiegskonsens mit den Betreibern vereinbart, ihm und seinen grünen Fraktionskollegen (z.B. dem bayerischen MdB Hans-Josef Fell) verdanken wir u.a. auch das ‚Erneuerbare Energiengesetz’, das Verfahren zur Energiegewinnung aus regenerativen Quellen auf Dauer konkurrenzfähig macht und damit eine langfristig tragfähige Kompensation unserer wachsenden Rohstoffprobleme schafft.

 

Quelle: Dokumentation aus der Website des Bundesumweltministeriums: http://www.bmu.de/files/atomtransporte.pdf (Der Text ist zwar schon gut zwei Jahre alt, bietet aber immer noch viele Hintergrundinformationen).

 

Uli Theising, 1.1.2005