BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Grüne Landshut Stadt

Argumentationshilfe zur geplanten 3. Start- und Landebahn

zusammengestellt von MdL Christian Magerl – Stand 13. November 2011 (wird regelmäßig ergänzt)

15.11.11 –

Argumentationshilfe zur geplanten 3. Start- und Landebahn im Erdinger Moos – zusammengestellt von Christian Magerl – Stand 13. November 2011 (wird regelmäßig ergänzt)

Aktueller Stand der Planungen

Die Flughafen München GmbH (FMG) hat 2007 das Planfeststellungsverfahren für eine dritte Start- und Landebahn am Flughafen München beantragt. Diese soll, wie die beiden bereits bestehenden Bahnen, 4000 Meter lang und im Abstand von 2.100 Metern zur jetzigen Nordbahn gebaut werden. Die Gesamtkapazität würde dann mehr als 700.000 Flugbewegungen betragen. Im Juli 2011 hat die Regierung von Oberbayern das Projekt ohne Abstriche genehmigt. Gegen die Genehmigung wurden, u.a. vom Bund Naturschutz und der Stadt Freising, Klagen beim Verwaltungsgerichtshof in München (VGH) eingereicht. Als Erstes wird eine Entscheidung des VGH zum Sofortvollzug erwartet. Vorher soll nach bisherigen Zusagen seitens der Flughafengesellschafter Freistaat Bayern (51 %), Bundesrepublik (26 %) und Landeshauptstadt München (23 %) und der FMG mit dem Bau nicht begonnen werden.

Es gibt keinen Bedarf

Im Jahr 2008 wurde das bisherige Maximum an Flugbewegungen mit 432.000 erreicht. In den Jahren 2009 und 2010 sank die Zahl um fast zehn Prozent auf 390.000. Nach den ersten 10 Monaten 2011 liegt das Aufkommen nur minimal über dem des Jahres 2006. Nachdem im laufenden Winterflugplan weniger Flüge angemeldet wurden als 2003, ist davon auszugehen, dass zum Jahresende das Niveau von 2006 unterschritten.

Wesentliches Kriterium für den geplanten Ausbau ist die Entwicklung bei den Flugbewegungen. Bedingt durch den stark zunehmenden Kostendruck (Ölpreis) gehen die Fluggesellschaften verstärkt dazu über, größeres Fluggerät einzusetzen, statt mehr Verbindungen auf einer Relation anzubieten.

Der bestehende Flughafen hat eine größere Kapazität als der Flughafen Frankfurt mit drei Pisten (Anmerkung: Durch die 4. Landebahn, die am 21. Oktober 2011 eröffnet wurde, hat Frankfurt mittlerweile eine größere Kapazität erreicht) und damit auf Jahrzehnte ausreichende Reserven, wie das Beispiel des Flughafens Frankfurt beweist, der sein bisheriges Maximum im Jahr 2007 mit 493.000 Flugbewegungen und 54 Millionen Passagieren hatte. Selbst der parteiische Gutachter der Flughafen München GmbH (FMG) gibt zu, dass mit dem Zwei-Bahn-System deutlich mehr als 480.000 Bewegungen problemlos abgewickelt werden können. Dass selbst FMG und Staatsregierung den von ihr bestellten Wachstumsraten nicht trauen, zeigen die vertraglichen Begleitvereinbarungen zwischen FMG und Deutscher Lufthansa AG (DLH) zum Bau des sogenannten Satelliten für den Terminal 2. Darin heißt es u.a.: „Gleichzeitig wird von der DLH eine Wachstumserklärung abgegeben, in der sich die DLH trotz Inbetriebnahme der 4. Bahn am Flughafen Frankfurt in den nächsten Jahren auf ein weiterhin forciertes Wachstum am Flughafen München entsprechend der aktuellen Intraplan-Verkehrsprognose für die Planfeststellung der 3. Start-/Landebahn verpflichtet. Sollten in dem Zeitraum von 2010 bis 2017 die im Intraplan-Gutachten prognostizierten Passagierzahlen unterschritten werden, leistet die DLH unter bestimmten Prämissen eine finanzielle Ausgleichszahlung von bis zu insgesamt maximal 50 Mio. Euro.“

Absoluter Luxusausbau und die Rolle der Lufthansa

Die Lufthansa etabliert eine Verkehrsstruktur, die ihr eine Fast-Monopolstellung ermöglicht, somit kann sie schalten und walten wie sie will. 2009 wickelte die Lufthansa/Star Alliance 70 % des gesamten Linien- und Charterverkehrs ab, der Umsteigeranteil betrug dabei 55 %! Der gesamte Umsteigeranteil beträgt nur 37 % (Im Rahmen des Ausbaus soll er auf 45 % gesteigert werden), d.h. die Lufthansa ist der Hauptverursacher der Umsteigeverkehre. Auf Grund ihrer fast Monopolstellung kann die Lufthansa nun die Bedingungen diktieren: Ein neues Abfertigungsgebäude muss her, obwohl das Terminal 1 nur zur Hälfte ausgelastet ist, eine Minimum Umsteigezeit von 30 min. Zum Vergleich: FRAPort hat 45 min, Heathrow 60 – 120 min, Charles de Gaulle 90 min. Und man akzeptiert nur eine maximale durchschnittliche Verspätung von 4 Minuten. Dies ist eines der Hauptkriterien für den Ausbau. In den Planungsunterlagen findet sich eine Grafik, die besagt, dass das bestehende Zwei-Bahnen-System bei dieser akzetierten Verspätung eine Kapazität von 90 Bewegungen/Stunde habe, würde man 5 Minuten akzeptieren wären es fast 100 Bewegungen/Stunde möglich.Übrigens: Bei der DB AG sind 5 Minuten noch pünktlich! Die Verspätung im Nahverkehr beginnt erst bei 6 Minuten. Die Lufthansa legt fast alle Kriterien fest, nach denen sie MUC nutzen will, und gönnt sich dabei jeden Luxus. Und dies auf Kosten der Anwohnerinnen und Anwohner.

Die Finanzierung ist ungeklärt

Die FMG gibt aktuell die Baukosten mit 1,2 Milliarden Euro an. Bekanntlich wurden solche Anfangsschätzungen bei Großprojekten bislang noch nie eingehalten. Die Kostenexplosion für den Bau des Flughafens selbst ist dafür das beste Beispiel. Zu Beginn der Planungen in den 60er Jahren war von 800 Millionen Mark die Rede. Laut Kabinettsbeschluss im Jahr 1969 sollte der Bau 1,6 Milliarden Mark kosten. 1986 ein Jahr nach Baubeginn - war die Schätzung bereits bei 4,6 Milliarden Mark, bei der Inbetriebnahme 1992 waren es dann 8,55 Milliarden Mark. Zwar wiederholen Staatsregierung und FMG gebetsmühlenhaft, dass für den Bau angeblich keine „zusätzlichen Steuermittel“ verschwendet würden, angesichts des Schuldenstands der FMG von gesamt rund 2,727 Milliarden Euro, davon 492 Millionen Euro bei den Gesellschaftern (Freistaat Bayern, Bundesrepublik Deutschland, Stadt München) muss die Frage erlaubt sein, wie die FMG dieses Projekt aus eigener Kraft finanzieren will. Diese Frage wurde bisher nicht beantwortet, die Vorlage eines schlüssigen Konzepts verweigert. Zum Vergleich: Der Wiener Flughafen Schwechat plant ebenfalls eine 3. Piste mit einer Länge von 3680 m und einer Breite von 60 m. Die geschätzten Kosten liegen laut Tageszeitung „Der Standard“ bei 1,8 Milliarden Euro.

Nicht vergessen werden darf auch, dass der momentan im Bau befindliche sog. Satellit für das 2. Terminal ebenfalls mit rund 1 Milliarde Euro zu Buche schlägt, wobei die FMG etwa 60 % der Kosten zu tragen hat. Für die Gesellschafterdarlehen, die seit 1972 laufen, wurden bislang erst in drei Jahren Zinsen gezahlt, das heißt, in fast 40 Jahren gelang es der FMG nur dreimal, einen Gewinn zu erwirtschaften. Die Landeshauptstadt München hält 23 % der FMG-Anteile und muss gegebenenfalls zu knapp einem Viertel auch für die Schulden gerade stehen.

Luftverkehr wird sehr stark subventioniert

Gemäß dem Abkommen von Chicago vom November 1944 ist Kerosin von der Steuer befreit. Würde man die in Deutschland verbrauchte Menge an Kerosin mit dem bei Benzin üblichen Steuersatz von 65,45 Cent/Liter belegen, ergäben sich Jahreseinnahmen von knapp 7,0 Mrd.€. Die Mehrwertsteuerbefreiung auf getanktes Kerosin führt zu einem weiteren Steuerausfall von 1,3 Mrd. €. Der Lufthansakonzern verbraucht nach eigenen Angaben 8,46 Millionen Tonnen Kerosin (2010). Würde dieses wie Benzin mit Mineralölsteuer und Mehrwertsteuer belegt, ergäbe dies eine Summe von fast 8 Milliarden Euro.

Flugtickets sind im grenzüberschreitenden Verkehr von der Mehrwertsteuer befreit, ein weiteres Steuergeschenk von über 500 Mio. €/Jahr.

Die FMG hat von ihren Gesellschaftern ein großzügiges Darlehen erhalten. Die ersten Raten wurden bereits 1972 ausbezahlt. Nur ein Teil des Darlehens wurde in den letzten Jahren getilgt, z. Z. sind noch rund 500 Mio. € Restschulden offen. Zinseinbußen für die Gesellschafter betragen aufsummiert über 2 Mrd. €, da nur in wenigen Jahren von der FMG Zinsen bezahlt wurden.

Die 3. Start- und Landebahn würde mehr als 1000 Hektar Vogelschutzgebiet vernichten

Das bayerische Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit musste feststellen: „Es hat sich herausgestellt, dass das "Nördliche Erdinger Moos“ (geplanter Standort der 3. Bahn) ein ökologisch hochwertiger Lebensraum für Vögel ist und damit als "geeignetstes Gebiet“ nach … EU-Vogelschutzrichtlinie als Vogelschutzgebiet gemeldet werden muss.“ Es sei „ eines der wichtigsten bayerischen Wiesenbrütergebiete, mit einem der größten Brachvogel-Bestände, sehr bedeutenden Brutvorkommen von Kiebitz, Feldlerche, Grauammer, weiteren Arten der Stillgewässer, Röhrichte und Verlandungszonen, wie dem Blaukehlchen.“ Wenn man den Schutz der Natur und Artenvielfalt, wie es die Bayerische Verfassung verlangt, ernst nimmt, verbietet es sich, einen solch wertvollen Lebensraum ohne Not zuzubetonieren.

Eine weitere Belastung des Flughafenumlands mit Lärm und Abgasen ist nicht hinnehmbar

Die Menschen im Flughafenumland leiden bereits heute in enormem Umfang unter dem Lärm und den Abgasen des Flughafens und des Zubringerverkehrs. Die Belastung ist schon jetzt sehr viel höher als seinerzeit in München-Riem. Demzufolge kommen die Beschwerden mittlerweile nicht mehr nur aus den Landkreisen Freising und Erding, sondern in zunehmendem Umfang z.B. auch aus Landshut und München. Die jetzt geplante drastische Kapazitätserhöhung würde, die Wachstumsraten der FMG unterstellt, die Anzahl der Betroffenen dramatisch steigern und die jetzige Belastung über jedes erträgliche Maß hinaus steigern. So würde laut Unterlagen der FMG der Freisinger Ortsteil Attaching bis zu 530 mal täglich in einer Höhe von nur rund 50 Metern direkt überflogen. In der Gemeinde Berglern (ED)wäre die Situation nur unwesentlich günstiger. Zehntausende neubetroffene Bürgerinnen und Bürger würden unerträglichen Bedingungen ausgesetzt.

Die Region platzt aus allen Nähten

Die Landkreise Freising und Erding hatte schon lange vor dem Bau des Flughafens eine der niedrigsten Arbeitslosenquote bundesweit. Im Arbeitsamtsbezirk Freising lag die Arbeitslosenquote 1991 (Ein Jahr vor der Inbetriebnahme des Flughafens) bei 2,4 %, 2004 bei 4,7% und im Jahr 2011 waren durchschnittlich 2,9 Prozent arbeitslos. Im Oktober 2011 sank die Arbeitslosenquote auf 1,8 %. Angesichts der niedrigen Arbeitslosenquote in den Landkreisen Freising und Erding kann der Bedarf an Arbeitskräften nur dadurch gedeckt werden, dass weitere Arbeitsuchende neu in die Region ziehen. Im Landkreis Freising waren 1993 137.088 Menschen gemeldet. 2010 lebten dort bereits 166 375 Menschen. Das ist ein Zuwachs von 29.287 Menschen (+21.4%) in nur 18 Jahren. Bis 2030 soll die Zahl der Einwohner sogar auf 180.400 zunehmen. Ähnliche Prognosen gibt es auch für die anderen Landkreise der Region 14 und für die Landeshauptstadt. Eine vernünftige Strukturpolitik schafft Arbeitsplätze, wo sie benötigt werden, und nicht in einer Gegend, die ohnehin aus allen Nähten platzt. Es gibt andere Regionen in Bayern und Deutschland, die neue Arbeitsplätze viel dringender nötig hätten.

Niemand gibt eine Antwort auf die Frage, wo in München und im Umland bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden soll und kann. Schon jetzt können sich Leute mit einem durchschnittlichen Lohn die Wohnungen in der Region 14 nicht mehr leisten. Viele Arbeitsplätze am Flughafen sind dem Niedriglohnsektor zuzuordnen.

Im FMG Gesamtkonzern waren übrigens im Jahr 2010 mit 6983 weniger Menschen beschäftigt als im Jahr 2006 (6996).

Verkehrsanbindung

Ministerpräsident Horst Seehofer hat sich beim Spitzengespräch am 26. Oktober 2011 sehr weit aus dem Fenster gelehnt. „Wer die 3. Startbahn will, muss die Verkehrsfragen lösen.“ Es braucht einen konkreten Umsetzungsplan mit Datum und Finanzierung, der „unumkehrbar sein muss.“ „Wenn wir glaubwürdig bleiben wollen, brauchen wir diesen Plan.“ Es reicht nicht zu sagen, „wir bemühen uns beim Bund.“ Bei Neufahrner Kurve und Ringschluss müssen Baurecht und Finanzierung einwandfrei geklärt sein.

Im Klartext bedeutet dies, wenn z.B. für die Neufahrner Kurve und den Erdinger Ringschluss nicht mindestens der Planfeststellungsbeschluss und eine Finanzierungsvereinbarung vorliegen (evtl. sogar noch für die Walpertskirchener Spange), soll nicht mit dem Bau der 3. Start- und Landebahn begonnen werden! Wir werden Seehofer und Co darauf festnageln.

Die Ausweitung des Flugverkehrs ist mit den bayerischen Zielen für den Klimaschutz nicht vereinbar

Berechnungen haben ergeben, dass vom Streckennetz des Flughafens München ein Gesamt-CO2-Ausstoß von 7,5 Millionen Tonnen jährlich verursacht wird. Kann die FMG ihre Vorstellungen tatsächlich in die Tat umsetzen, würde diese Menge im Jahr 2025 auf über 10 Millionen Tonnen ansteigen. Der aktuelle Jahresausstoß für ganz Bayern beträgt 75 Millionen Tonnen und muss deutlich gesenkt werden.

Schon gar nicht vereinbar ist die Ausweitung des Flugverkehrs mit den Zielen des München für Klimaschutz-Clubs

Unter Federführung der Landeshauptstadt werden offiziell u.a. folgende Ziele verfolgt: Reduktion der CO2-Emissionen um mindestens 50 % bis 2030, ausgehend vom Referenzjahr 1990 und in Übereinstimmung mit der Zielsetzung des Klima-

Bündnis e.V. Entwicklung und Anwendung konkreter Umsetzungsstrategien zur Erreichung dieser Zielsetzung Erschließung größtmöglicher Treibhausgas-Reduktionspotentiale – insbesondere CO2 - soweit dies auch wirtschaftlich darstellbar ist.“ Die Stadt München und allen voran OB Ude verfolgen mit ihren Flughafenplänen das genaue Gegenteil, nämlich eine drastische Steigerung des CO2-Ausstoßes. Aus Protest gegen die starre Haltung Udes hat der Stadtteilauto Freising e.V. bereits seinen Austritt erklärt.

Dass es auch anders geht, zeigt die konservativ-liberale Regierung Großbritanniens:

„Die neue Koalitionsregierung schlägt im Vergleich zur Vorgängerregierung ganz neue Wege ein, was Flughäfen und Luftverkehr generell betrifft. Wir haben alle Pläne für zusätzliche Start- und Landebahnen auf den Londoner Flughäfen Heathrow, Gatwick und Stansted gestrichen. Unserer Auffassung nach hätten diese Bahnen nicht hinnehmbare Umweltschäden zur Folge gehabt … und die Lebensqualität in den umliegenden Gemeinden beträchtlich beeinträchtigt.

… Die Regierung ist der Ansicht, dass die Luftfahrt einen wesentlichen Beitrag zur Wirtschaft dieses Landes und zum Lebensstandard unserer Bürger leistet. Dennoch können wir nicht zulassen, dass die Wachstumsraten auf dem gleichen Niveau fortschreiten wie in der Vergangenheit. Dies würde inakzeptable Folgen hinsichtlich Lärmbelastung und Luftqualität im Flughafenumland mit sich bringen, von den globalen Auswirkungen hinsichtlich CO2-Emissionen ganz zu schweigen.

Unser Ziel ist es, die Effizienz unserer Flughäfen … auf eine Art zu verbessern, die mit unserer Verpflichtung, die Umwelt zu schützen, in Einklang steht.“

Aus: Brief von Theresa Villiers, Staatssekretärin im britischen Verkehrsministerium, vom 03. August 2010 an die Parlamentsabgeordnete der Green Party Caroline Lucas

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